Dezember 2010 – Erinnerungen an Väterchen Frost

  • In aller Freundschaft- Dezember 2010-


    Deutschland, kurz vor den Weihnachtsfeiertagen


    Es schneit ununterbrochen. Verkehrschaos auf allen Straßen und Autobahnen. Die Flughäfen kommen mit Schnee räumen und Maschinen enteisen nicht nach. Viele Flüge werden storniert. Ausfälle und Verspätungen gibt es auch auf der Schiene, die Bahn kämpft ebenso gegen die Schneemassen an.


    Wahrlich, ein richtiger frostiger Winter.


    Die andere Seite, ist die wundervolle, die liebenswerte.Morgens das unberührte Weiß, des Nachts keine Dunkelheit. Dann die Verzauberung von Allem was uns unterwegs so begegnet. Die Parkbänke und Bäume, die Hausdächer, die Straßenlaternen, etc. alles wurde bedacht und mit einer Haube geschmückt.Die Kinder jubeln. Die Wintersport Geräte sind im Einsatz. Es gibt Freude, Spaß und Erholung pur.


    Tief hängt die Wolkendecke, bleigrau und schwer. Ein starker Nordwind treibt die Flocken jetzt vor sich her.-Der Schneepflug ist zurzeit Tag und Nacht im Einsatz. Am Straßenrand türmen sich die beiseite geschobenen Schneemassen zu Wällen auf. Die Gehwege werden immer enger, dazu sind sie glatt und es besteht Rutschgefahr. Es ist mühsam zu Gehen.


    Nun Mensch, setze dich mit den Gegebenheiten auseinander. Wie kommst du zurecht, wie fühlst du?


    Ich gehe trotz Kälte noch einige Schritte. Morgen kommt mein Sohn über die Feiertage nach Hause. Für mich ein wunderbares Gefühl. Sorge bereitet mir hingegen seine lange Anfahrt durch das Schneechaos und dem starken Verkehrsaufkommen.


    Nun sind diese wundervollen Tage vorüber.Geblieben ist „Väterchen Frost“, treu, stark und im Moment anhänglich mit negativen Akzenten. Es schneit wie seit Tagen weiter.Ich laufe auf den schmalen geräumten Weg entlang des Flusses. Stille, lautlos fallen die Flocken. Nichts stört die Gedanken, die aus dem „Garten der Erinnerung“ aufsteigen, die die Freunde zurück bringen, die selbst jetzt noch mit ihrer Liebe und Wärme die Gegenwart erhellen.Und ich höre ihre Frage: Was brachte dir unsere Winterreise nach Moskau mit anschließender Silvesterfeier? Und Weshalb wähltest du „ Russland „?Ich war die Einzige damals, die still den Freunden zuhörte, als das Thema zur Debatte stand.„Warum“? Heute würde ich antworten um aufzuarbeiten, soweit das möglich ist, um geglaubte Erkenntnisse zu revidieren.


    Russland, ist immer eine Reise wert-Die ersten Kontakte mit dem russischen damals noch sowjetischen Volk waren zu meiner Kinderzeit, die, mit den Soldaten der russischen Besatzungsmacht.Die Gefühle waren geprägt von Vorsicht, Angst, vom Nichtverstehen. Es gibt Situationen, die auch ein Kind nicht vergisst.Auf dem Unterrichtsplan stand die russische Sprache zur besseren Verständigung mit einer uns fremden Kultur.Nikolai Ostrowskis Werk, „Wie der Stahl gehärtet wurde“ war unsere erste Pflichtlektüre.Eine fremde Welt tat sich auf, die angestrebte des Kommunismus mit ihrem Klassenkampf,ihren eigenen Anschauungen.Ostrowski trat 1919 nach deutscher Okkupation und während des Bürgerkrieges dem „Komsomol“, den kommunistischen Jugendverband, bei .Er diente unter „Kotowski“ in der„Budjonnyschen Reiterarmee“.Noch einmal: „Wie der Stahl gehärtet wurde“!Für uns, Vorbildfunktion? Was erkannten wir Schüler? Wir lernten zwar, aber was waren unsere Erkenntnisse daraus? Was blieb davon?


    Große Plakate vermittelten das Wissen.Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!Von Freundschaft wurde gesprochen, Von Freundschaft zwischen dem russischen Volk und dem unseren. Die Organisation „Deutsch-Sowjetische-Freundschaft“ wurde gegründet.Eine wunderbare Idee, dachte auch ich. Freundschaft zu versuchen, ohne politische Handlungen zu erwähnen, wäre einen Versuch wert.Später!- Meine Schulzeit war vorüber.


    Meine Heimatstadt war gleich anderen ein Trümmerhaufen. Aufräumen war das einzige Angebot der Arbeitswelt, damit Neues entstehen konnte aus den Ruinen. Ich wurde eine Trümmerfrau. Wegen zu starken Frosts, wurde im Januar der Bau eingestellt.Die „Wismut-AG“, Erzbergbau-Uran, bot eine weitere Erwerbsmöglichkeit. Es handelte sich hier um eine Deutsch-Sowjetische AG.Jugendliche arbeiteten „über Tage“. Ich wurde der Geophysikalischen Abteilung zugeteilt mit deutschen Arbeitern und russischen Soldaten.


    Aus der russischen Besatzungsmacht entstand die „Deutsche Demokratische Republik“, die „DDR“, der kleine Bruder der großen SU.


    Freundschaft war angesagt,Ich trat mit einiger Erwartung der „DSF“beiAm Besten und interessantesten fand ich die Literaturabende. Ein älterer Genosse, von Beruf Lehrer, wie er uns verriet, leitete den Zirkel.Er war ein wunderbarer Mensch, sehr kompetent, er fesselte uns Jungen mit seiner Art und seinem Wissen. Nicht nur uns Deutschen, sondern auch die russischen Soldaten, die fast immer an den Abenden zugegen waren. Das Nationalgetränk war verpönt, alkoholfrei war die Devise! Ich fühlte mich in diesen Stunden einfach gut.


    Genosse Lehrer brachte uns seine Heimat sowie seinem Volk näher. Er verstand unsere Fragen. Meine Unkenntnis sowie meine Kritik an manchen Dingen nahmen ab.Nennen wir es Erziehungs-oder- Entwicklungsprozess?


    Ich erinnere mich an „Dostojewskis“ Schuld und Sühne, an„Leo Tolstois“ Krieg und Frieden, an„Scholochows“ Stillen Don. Ich las viel. Was für ein Volk, besser für eine Völkerfamilie!


    Ein gemeinsamer Kinobesuch stand an, Titel:“ Das Lied von Sibirien“Es war ein Werk, das berührte, das nachdenklich stimmte. Aber es zeigte uns auch ein Stück aus der Geschichte des riesigen Reiches. Die eigenen Gefühle fuhren Achterbahn.Ich erinnere mich noch immer an den Liedertext, bewusst.In einem Gespräch mit dem Genossen Lehrer darüber, sagte er zu mir:- Mütterchen Russland schlägt die, die es lieben, und tut wohl denen, die es hassen.-


    Nun der Text:Wenn früh auf der Taiga die Nebel sich drehn, und die Sonne erglüht tief im Osten,zum Abmarsch bereit die Gefangenen stehn, ihre Ketten klirren im Takt beim gehn.Sie ziehn ein in Ketten geschlagenes Heer, bis die Sonne versinkt in den Bergen,Sie kennen den Weg, doch sie hoffen nicht mehr, ihre Herzen sind wie die Eisen schwer.


    Diese Ketten zerbrach das Jahrhundert, so des Liedes Ende.


    Kurz danach war meine „Wismut-.Zeit“ vorbei.Ich bekam einen Studienplatz mit einem Stipendium.Es war eine lehrreiche Zeit im Bergbau. Nicht nur im Wissen, sondern auch im Miteinander mit den Kumpels, einschließlich den russischen Genossen Soldaten.


    25 Jahre späterIch stand voll im Berufsleben, Ehe und Familie gehörten gleichberechtigt dazu, so wie es damals Brauch war. Es war nicht immer einfach!Zum Internationalen Frauentag, am 8. März, erhielt ich eine Auszeichnung:–„5 –Tage Moskau-! Zeitraum:30.4.bis 4. 5.—Meine Freude war groß. Erinnerungen aus der Kinder-un-Jugendzeit wurden wach.


    25 JahreRussland hatte in der Zwischenzeit die meisten seiner Soldaten zurück beordert. Auf der anderen Seite lebten russische Familien hier.In der „DSF“ war ich unterdessen nur noch zahlendes Mitglied, gleich anderen.-


    Der Flug nach Moskau ging ab Berlin. Aus verschiedenen Betrieben kamen weitere „Ausgezeichnete“ dazu.Eine junge Frau, perfekt in der russischen Sprache, wurde unsere ständige Begleiterin.Ihr Name:-Ala-Meine Erwartungen waren groß. Mit wechselnden Gefühlen ging ich durch die Kontrollen und den Zoll.-


    Meine Erlebnisse aus der ErinnerungWir kamen vom „Ostblock“, im Hotel war der Unterschied zum“ Westlichen“ gut sichtbar und zu fühlen. Nicht nur ich, alle wunderten sich, wie so? Deutsch bleibt doch deutsch! Nein.Wir hatten einfach die Devisen vergessen-Ala war all gegenwärtig.Zwei Programme standen täglich auf den Plan, nicht nur Kultur. Abends dazu gemeinsames Ausgehen auf Einladung.Die Gastfreundschaft und Herzlichkeit tat uns allen gut.-Etwas Bekanntes aus der Jugendzeit war spürbar, die gegenseitige Achtung und Toleranz dem Fremdartigen gegenüber. Ich glaube, das gehört einfach zum „Menschsein“ und ist lernbar.


    Nur noch ein Erlebnis möchte ich aufzeichnen, was sich unlöschbar mir eingeprägt hat.Marktplatz:–in einer kurzen Freizeit:–Eine ältere Frau mit Kopftuch bot Äpfel zum Kauf an. Schlange stehen war angesagt, ich reihte mich ein. Obst und Gemüse fehlten bei der Verköstigung fasst ganz. Ein Apfel, das Verlangen danach war einfach da.Als ich an der Reihe war, sah mich die Marktfrau nur an, sagte dann sehr laut und hasserfüllt: „Deutsche-nicht“!-Betroffen, schockiert stand ich da. Die Anstehenden sahen mich an, ich ging bedrückt davon.


    Diskussion mit Ala darüber:Der Hass entstand aus ihrem großen Leid. Sie, die Marktfrau, hatte im 2. Weltkrieg Hab und Gut verloren, Ihren Mann und die Söhne im Kriegsgeschehen mit den Deutschen.Ich verstand sie. Kenne ich doch auch das oft unvorstellbare Leid meiner Landsleute.Die Wunden von einst sind meist nur oberflächlich verheilt. Sie brechen wieder auf, denke ich mir nach diesen, meinen Erlebnis.Es wird wohl noch eine Generation vergehen, ehe es eine unbelastete Freundschaft gibt, oder auch geben kann.-


    Meine lieben Freunde:Zwischen meiner ersten Moskaureise im Frühling und der Winterreise mit Silvesterfeier liegen noch einige wundervolle Urlaubstage in Sankt Petersburg.-Auf die Frage von einst, warum Moskau, warum Russland, finde ich auch jetzt am Ende keine logische Antwort, obwohl ich danach gesucht habe.Gefühle sind wandelbar, Erkenntnisse vom Geschehen geprägt und abhängig.


    „Väterchen Frost“ – wird auf der kriegerischen Seite ein starker, fasst unüberwindbarer Verbündeter sein und bleiben, auf der anderen, der lichten, schönen, ein großer Zauberer, ein Zauberer für Weiß-


    Na sdarowje!- Moskau-Auf eine friedvolle, glückliche Zeit!


    Anmerkung: geschrieben von Schnuff

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