Erhitzt und außer Atem vom Ballspiel, Fußball, standen wir, mein jüngerer Bruder und ich vor unserer Mutter mit der Forderung: Wir wollen auch einen Vater! Wir nehmen auch einen mit nur „ einem “ Arm!Unser Vater war gefallen im Juli 1944 beim Rückzug im Mittelabschnitt der damaligen Ostfront. Der „ Sani “ holte ihn zwar aus dem Geschehen, aber die Granatsplitter hatten ihm im Rücken die großen Gefäße zerfetzt, er verblutete auf dem Weg zum Hauptverbandsplatz, so stand es im Schreiben, dass Mutter erhielt.
Nun war Karls Vater auf „ Heimat-Genesungsurlaub“. Er hatte zwar nur noch einen Arm, und sicher noch andere Wunden, die „ Sani “ holten ihn nach der Schlacht aus dem Kampfplatz heraus, aber für uns Kinder war das nichts Erschreckendes, der Vater war wieder da. Karle und Rolf, unsere Freunde meinten, das ist gar nicht so schlimm, der bekommt einen neuen Arm und dann ist er wie immer. So die Zeit gegen Kriegsende.
September 1944. Wir Kinder von den Drei großen Vorstadt Mietshäusern lungerten auf der noch ohne Bombentrichter und als Spielplatz dienenden freien Grünfläche herum und beobachteten wie unsere Freunde mit ihren Vater sich liebevoll neckten und er seinen Arm kameradschaftlich um Rolfs Schulter legte, der „ leere “ linke Hemdsärmel war hochgesteckt damit er nicht im Wind flatterte. Rolf holte seinen Ball und lud uns zum Mitspielen ein, Fußball. Natürlich waren wir gleich mit dabei. Fröhlich und ausgelassen, und so gänzlich ohne ständige Ermahnung ja auf das Alarmsignal zu achten, sorglos und unbeschwert verbrachten wir den Nachmittag, bis tatsächlich der unvergessliche Ton der Sirene dem frohen Treiben ein Ende setzte. Nun sprinteten wir gemeinsam in den Luftschutzkeller. „Schmidti“, so durften wir Herrn Schmidt nennen, als Letzter, er half den Kleinen.
Einige wenige Tage später warteten wir lange Zeit vergebens auf unsere Freunde. Unterdessen war der Alarm bereits wieder aufgehoben. Die Bomberverbände bedachten mit ihrer Last eine andere Region. Dann entdeckten wir in der Menge Karle mit verweinten Augen. Er ist fort, er musste wieder „einrücken“, sagte uns unsere Mutter. Einrücken? Wohin? Die kleine fußballbegeisterte Kindermannschaft löste sich auf. Es war keiner mehr da, der sie zusammen hielt und sie auf eine ganz besondere Art umsorgte.„ Schmidti“ kam von diesem Einsatz nicht mehr zurück. Er wurde als „vermisst“ eingestuft, später für tot erklärt. In unseren Herzen lebt er weiter.
Hallo „Nemo“, Sie haben die „ Tür gegen das Vergessen “ aufgestoßen und mich berührt mit Ihren Beitrag. Ich bin hindurch gegangen und danke Ihnen dafür. Wie viele wunderbare Menschen stiegen aus der Vergangenheit, aus dieser Kriegs- und Nachkriegszeit, aus dem „Garten der Erinnerung“ empor.Würden die Armeen von einst wieder aufstehen, würden sie unseren Fortschritt, vor Allem in der Technik und Elektronik bewundern, aber genau so sicher den „Sani“ den Kameraden und meist letzten Zeugen eines oft verlöschenden Lebens voller Hoffnung, Dank und Zuversicht begrüßen. Diese Einsätze sind in der Gegenwart noch genauso unersättlich wie in der Vergangenheit.
Im ersten Viertel von 1945 erreichten die Angriffe der angloamerikanischen Bomberverbände einen weiteren Höhepunkt. Unsere Heimatstadt war unterdessen zu Zwei Drittel zerstört. Wir lebten in unserem Gartenhäusl, 6 km von der Stadt entfernt. Die Wände glitzerten, 12er Ziegelmauern. Es war sehr kalt, aber wir hatten ein Dach über den Kopf. Auf Strohsäcken liegend, in einem ruhigen Moment, bohrte mein Brüderle noch einmal recht hartnäckig: Wir wollen doch einen Vater, auch wenn er nur einen Arm hat, so einen wie „Schmidti“ der uns lieb hat, hilft und beschützt. Mutter blieb lange still. Danach sagte sie jenen Satz, mit Festigkeit in der Stimme, der keinen Zweifel aufkommen ließ und mich durch mein ganzes Leben begleitete: „ Gott-Vater “ ist der Vater der Witwen und Waisen, auch der Euere. Er ist ein guter Vater, er liebt euch. Er ist überall, Er sieht und beschützt euch. Er ist in der Natur, im Wind genau so wie im Sturm. Er sieht, wenn ihr in Gefahr seid und hilft euch. Und….Er stirbt nie!
Anmerkung: geschrieben von Cora