Burgunderrote Tränen & Gänsehaut
Gott oder Teufel
Alles war gut geplant. Ich wollte mit einem Halleluja abtreten.
In weiser Vorausschicht meines Todes in drei Tagen schrieb ich eine Postkarte an die „Black Angels“ mit folgendem Inhalt:
„Drei Tage nach Empfang dieser Karte,
mittags 12.00 Uhr, einen Sarg
zum Friedhof fahren.
Die Teilnahme aller Black Angels ist erforderlich!
Bezahlung und nähere Instruktionen
liegen auf der Kiste.“
Mein Name und die Adresse folgten.
Die Black Angels kamen pünktlich. Der lange große Sarg, den ich in einer Secondhand-Boutique günstig erstanden hatte, erinnerte eher an eine Transportkiste. Sterben ist fast unbezahlbar geworden! Mit viel Mühe hatte ich auf den Deckel gemalt: „Glas! Zerbrechlich!“ und „Vorsicht, nicht stürzen!“ Ihn sollten sie holen. In dem alten Sarg lag natürlich meine Leiche. Den Deckel wollte ich nicht zunageln lassen, da ich aufpassen musste, dass alles nach meinen Anweisungen passiert. Oberengel Atze nahm zuerst das Geld, das ich auf den Deckel gelegt hatte und zählte nach „Stimmt so“, grinste er in die Runde. „Fünfundvierzig Black Angels für zwei Stunden. – Geschäft perfekt!“ Zufrieden steckte er das Geld in die Tasche und las meine Instruktionen. „Nein“, sagte er dann „das geht nicht! Das ist nicht unser Geschäft!“
Ich machte meine Stimme recht dumpf und tönte aus meiner Kiste: „Die Black Angels besorgen alles!“ Das war nämlich ihr Werbeslogan.
Atze sah sich erstaunt um. Da er keinen sah, überlegte er kurz, kratzte sich nachdenklich an der Nase und sagte: „Na meinetwegen.“
Einer der Jungs hob den Hammer, um den Nagel ins Holz zu treiben. Schroff schlug ihm Atzes Befehl ins Gesicht. „Aufhören! Sofort!“ Auf den Zettel zeigend rief er „Hier heißt es ausdrücklich: … der Deckel soll offen bleiben!“ Der Mann gefiel mir, denn er wich nicht einen Buchstaben von meinem Letzten Willen ab.
„Wir sprechen jetzt ein kurzes Gebet“, sagte er. „Wer von Euch kennt ein kurzes Gebet?“
Betretenes Schweigen. „Weiß einer vielleicht ein Langes?“ Aber ein Langes kannten sie erst recht nicht.
„Die Black Angels besorgen alles!“, klang es hohl aus meiner Kiste.
Fünfundvierzig Köpfe ruckten. Die Luft wurde von den vielen Blicken durchsiebt. Keiner sah etwas. Zur Beruhigung sagte der Boss hastig: „Aber natürlich! Es wäre doch gelacht, wenn hier nicht einer ein Gebet sprechen könnte.“ Er wandte sich an den Jüngsten: „Ede weißt Du nicht ein Gebet?“
„Ein Gebet wüsste ich schon“, meinte dieser, „aber ob es ein Ordentliches ist …“
„Egal“, meinte der Oberengel, „ob man nun ordentlich oder unordentlich betet. Hauptsache ist, dass man betet! Also sprich dein Gebet und alle sprechen laut mit!“
Ede holte tief Luft und begann so laut wie möglich zu beten: „ Lieber Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast!“
„Amen!“ sagte das Oberhaupt salbungsvoll…
Blutiger Eispalast
Ich heiße Lucius. Ich bin freier Journalist und das sind meine Recherchen. Furchtbares hat sich zugetragen. Seht das Ergebnis der Vernehmung, lest meine Recherche…
Die Untersuchung wurde von der Verwaltung des Deutschen Museums beantragt. Außer gegen meinen Freund und Maler Romero Casper richtete sie sich gegen sein Modell und einem Angestellten des Wachdienstes. Diesen erwischte man sogleich, während es dem anderen gelang, sich davon zu machen. Der Sicherheitsbeamte legte ein volles Geständnis ab. Er war mit 15000 Euro von dem Maler bestochen wurden. Er sollte während seiner Nachtwache ein Auge zudrücken. Der Wachmann hatte sich erst dazu bereitgefunden, nachdem ihm der Maler auf die Bibel geschworen hatte, dass nichts gestohlen werden würde…….
Die Polizei, die ihren Weg durch das Verkehrschaos Münchens mit Blaulicht schnitt, brachte auch ihre Spezialisten mit. Hämmer dröhnten, Brechstangen kratzten und Schneidbrenner fauchten ihre Hitze gegen das Metall.
Schließlich fiel sie krachend zu Boden und gab den Weg frei. Das Vorzimmer wurde gestürmt. Ein entsetzlicher Geruch schlug ihnen entgegen und raubte ihnen den Atem. Mit Taschentüchern vor Nase und Mund liefen sie durch das Vorzimmer in den „Eispalast“. Der Eisblock war in der Mitte gespalten, seine kalte schöne Bewohnerin war verschwunden.
Rote Begierde in weißer Hand
Harry O´Conner erwartete ihn in seinem Stammcafé, das schräg oberhalb der Neiße lag.
Als Peter eintrat, rief er ihn an:
„Endlich! Ich glaubte schon, Sie kommen gar nicht mehr.“
Peter setzte sich und sah dem Farbenspiel der Sonnenstrahlen zu, die sich durch den eben servierten Cognac brachen.
Harry kannte das Lieblingsgetränk seines Freundes.
„Was gibt es denn“, fragte er.
Harry O`Conner beugte sich ein wenig vor. „Es dürfte Sie interessieren“, sagte er.
„Sie studieren doch die Verwandlungen Aphrodites? Nun, Sie können vielleicht die Schaumgeborene in einem neuen Gewand erleben.“
Peter gähnte.
„Ah – wirklich? Erlauben Sie einen Augenblick“, fuhr Peter fort. „Venus ist Proteus echte Tochter. Ich glaube all ihre Maskeraden zu kennen. Über ein Jahr war ich in Delphi bei Peter Clausen.“.
„Und?“, fragte der Schotte.
„Was? Sie kennen Peter Clausen nicht? Herr Clausen aus Hamburg ist ein Talent, ein Genie vielleicht. Also kurz: Ich kenne Venus, die sich in Eros verwandelt, ich kenne die, die den Pelz anzieht und die, die eine Geißel schwingt. Ich kenne die Venus als Sphinx, die ihre Krallen blutgierig in zartes Kinderfleisch schlägt, kenne die Venus, die sich wollüstig in faulem Aas wälzt und ich kenne die schwarze Liebesgöttin, die bei Satansmessen durch den Priester angerufen und in deren Namen Opferblut über den Körper von Jungfrauen gespritzt wird. Laurette Satré nahm mich mit in ihren Tierpark. Ich kann berichten, was wenige wissen: nämlich von dem seltenen Reiz, die Sodom birgt. Noch mehr habe ich in Genf, in den Räumen der indischen Fürstin Kalerani Geheimnisse gefunden, die kein anderer lebender Mensch weiß. Ich kenne die verdorbene Venus, oder sollte ich lieber sagen, die Reinste? Glauben Sie noch immer, dass die liebe Göttin eine Maske wählen könnte, die mir neu wäre?“
O´Conner schlürfte langsam seinen Strega.
„Mmh, ich verspreche Ihnen nichts“, sagte er. „Ich weiß nur, das Knjaz Vadim Zordowski seit drei Tagen wieder in Stonsdorf ist. Ich traf ihn gestern hier in diesem Café. „Sehen Sie“, sein dünner Finger zeigte über die Neiße. Dort hob sich gegen den Horizont die Silhouette seines bizarren Schlosses ab.
„Ich freue mich darauf, ihn kennen zulernen“, erwiderte Peter. „Ich hörte schon oft von ihm. Er soll ein Exzentriker und einer von den wenigen Menschen sein, die es verstehen, aus dem Leben eine Kunst zu machen…. und er soll auch über die notwendigen Mittel verfügen.“