Am Anfang stehen die vielen Gedanken, dann folgt der Stress, die Überlegungen in die Realität umzusetzen und letztendlich kommt die Arbeit. Sollte der „Lohn“ für meine Mühen „nur“ die Aufklärung, das Geld was ich einnahm und spendete – sollte das alles gewesen sein? Darauf gibt es nur eine Antwort: Es gab viele positive Erlebnisse, Kurioses, aber auch einige Negative. Leider sind viele meiner unter Umständen sehr emotional geschriebene Berichte, beim Hackerangriff mit zerstört worden. Ich bin mir sicher, dass, wenn ich nur weit genug in den „Garten der Erinnerung“ gehe, den einen oder anderen Gedanken finden werde. Bestimmt sogar, nur eben ohne die Frische an Emotionen, halt abgeklärt und stumpf.
Ich weiß nur noch, dass wir hunderte von Kilometer durch die Bundesrepublik mit einem Sprinter zu einer Dienststelle im Norden fuhren. Der Sprinter war voll beladen mit dem Stand der STH, dem Schleudersitz, den vielen Preisen der Tombola, der schon bekannten Espressomaschine und mehr. Der Hintern tat weh, die Sonne heizte das Innere des Wagens auf und der Fahrtwind, der durch das offene Autofenster uns Kühlung bringen sollte, war genauso heiß, wie die Luft im Inneren. Freitag auf der Autobahn – Viele Pendler fuhren nach Hause, die NATO-Rally war im vollen Gang, statt guter Musik brachte der Radiosender eine Staumeldung nach der anderen – leider meist erst dann, wenn wir schon mittendrinn waren. Die Zylinder des Dieselmotors taten ihr Bestes – aber mit Gebrüll. Eine Unterhaltung in normaler Lautstärke war kaum möglich und hin und wieder verließen Schimpfkanonaden über die „Strolche und Banausen“ der Autobahn“ unsere Lippen. Und dennoch, wir waren wir guter Laune.
Jede Fahrt ging einmal zu Ende und mit ihr verschwand die Sonne am Horizont. In einer großen Halle, in der Hubschrauber auf die neugierigen Besucher, die am nächsten Tag kommen sollten, warteten, bauten wir unseren Stand auf. Noch einmal vergingen über 4 Stunden. Dann konnten unsere Augen noch einmal prüfend über den fertig aufgebauten Stand gleiten. Jetzt hatten wir auch Feierabend. Eine Dusche, ein kaltes Bier noch ein paar belanglose Worte – dann folgte ich freudig den Ruf des Traumlandes.
Am nächsten Tag öffneten sich die Tore und Massen strömten neugierig plaudernd aufs Gelände. Männer, Frauen, Opas und Omas und jede Menge Kinder jeder Altersstufe. Mein Stand erregte viel Aufmerksamkeit. Während ich über die Arbeit der Soldatentumorhilfe sprach, ließ ich die Espressomaschine zur Hochform auflaufen, bot viele rote Lose an, verschenkte Gummibärchen, verteilte Prospekte und mehr. Neben mir schickte meine Fotoanlage grelle Blitze auf die Leute und bannte sie digital auf die Platte, wo kurze Zeit später ein Drucker das malte, was das Objektiv vorher sah. Wer war es, der die Blitze auf die Besucher schickte, druckte und laminierte, mir als „Glücksfee“ bei den Preisen der Tombola half – Frau Hauptmann Egbers – Ich denke nicht, dass sie etwas dagegen hat, wenn ich sie hier erwähne und ihr Bild einstelle.
Ich will nur das eine sagen dürfen: Viele habe ich gefragt, ob sie mir helfen würden. Soldaten und Kollegen aus meiner eigenen Abteilung und Einheit, andere Kameraden versuchte ich von meinem Engagement zu überzeugen und zu begeistern… geduldig hörte man mir zu und ebenso gelassen drehte man sich um ging man davon.
Die Ironie des Schicksals war es, das es einen Kameraden gab, der mir damals lächelnd den Rücken zugewandt hatte, sich später als Betroffener an mich mit der Bitte um Hilfe wandte. Der Krebs hatte ihn eine Zeitspanne später mit Haut und Haaren „verschlungen“.
An meinem Stand kam ein Mann, nein er fuhr in einem Rollstuhl, mittleren Alters. Er war nicht gut angezogen und während ich mich mit ihm unterhielt, wurde mir sehr bewusst, dass bei ihm oft die Not zu Gast war. Er erzählte mir von seinem jetzigen Leben, von dem Krebs, der ihn langsam „auffraß“, der ihn alles, auch seine Familie genommen und zerstört hat und er nun von Almosen und kleinen Geschenken leben darf. Er schaute mein Hörbuch an, las was auf der Rückseite stand. Dann stellte er es wieder in das Regal. Ich fragte ihn, ob er gerne Hörbücher hörte. Er sagte, dass er Hörbücher mag, da sein Augenlicht so langsam trüb wird. Er sagte auch, dass er den Preis von 15,00 Euro gesehen hat und er weiß, dass ich das Geld für die an krebserkrankten Soldaten sammle und spende. Er kann es sich nicht leisten.
Mir wurde schon komisch bei den Worten. Irgend so ein Kloß steckte in meinem Hals und etwas in meinem Magen krümmte sich zusammen. Ich sah in wortlos an. Um uns herum standen einige Besucher, die diese Unterhaltung mitangehört hatten. Er verabschiedete sich und als er mit seinem Rollstuhl wendete, da ich an seinem Kragen ein Abzeichen blitzen: 2 gekreuzte Kanonen und ein Löwe stand oberhalb der Kanonen und spannte sich über das ganze Abzeichen. Das Abzeichen war in einem Bordeauxrot. Welche Farben die Kanonen und der Löwe hatte – ich weiß es nicht mehr. Er war schon einige Meter von meinem Stand weggerollt, als ich ein Hörbuch nahm und ihm hinterher eilte. Überrascht zog er die Bremsen, als ich vor ihm stand und fragte, was ich noch wolle. Ich fragte, ob denn überhaupt gedient hätte- Trotz zog in seine Augen und verwandelte sich in Stolz als er sagte:
„ Ich diente in einem Artillerieregiment bis der Krebs kam“
Wortlos gab ich ihm das Hörbuch, drückte ihm kurz zum Abschied die Hand und sagte: Ich weiß! Ich habe das Wappen gesehen. Dann ging ich zurück. Ich hörte noch dass er etwas rief. Verstehen konnte ich es nicht, zu groß war das Stimmengewirr…
Es waren zwei wundervolle, aber anstrengende Tage. Als am Sonntag, gegen 18:00 Uhr sich die Tore der Liegenschaft sich schlossen, genossen wir die Stille. Es brauchte ein paar Augenblicke um sich zu finden. Dann hieß es einpacken, was noch übrig war, die Regale auseinander schrauben und 4 Stunden später sah der Platz sauber und verlassen aus. Wir verabschiedeten uns von den Kameraden, die uns „betreut“ hatten und kurze Zeit darauf brüllten die Diesel ihre Melodie. Weit nach Mitternacht kamen wir zu Hause an. Alles war gut gegangen und auf der Fahrt Hause hatte uns der Mond und viele die Eindrücke begleitet. Ob mein Mund „ausgefranst war und die Zunge dick und wund“ vom vielen reden, ich weiß es nicht. Einen Blick in den Spiegel habe ich bestimmt erst 5 Stunden später geworfen, als der Wecker mich mit grausigem Getön in den Tag rief. Verschlafen schlich ich mich ins Bad, sah in den Spiegel – ich erspare Euch die Beschreibung, was mir entgegen sah. Es war ein anstrengendes Wochenende, ein gutes Wochenende eben ein Wochenende ohne Chips, Bier und fetter Bratwurst…