Hof an der Saale – seit dem 26.12.1975 wurde die Stadt zu meiner Wahlheimat. Zugegeben, zu der damaligen Zeit stellte ich mir unter dem Begriff „Heimat“ etwas anderes vor. Es war eine Arbeiterstadt, deren Häuserfassaden grau, verwittert und alt waren und die Löcher in den Straßen erzählten von großen Löchern im Stadtsäckl. Die Menschen schienen sich den Häusern und der besonderen Gegebenheit einer Grenzstadt angepasst zu haben. Beherrscht wurde sie von der „allmächtigen“ Spinnerei, die es sich erlauben konnte, dem Stadtrat und den fleißigen Arbeitern ihre Bedingungen zu diktieren.
Viel Wasser ist seit dem die Saale hinunter geflossen. Die Stadt und die Menschen haben sich verändert. Mein Erstlinkswerk „Verfluchte Versuchung“ war erschienen. Es wäre toll gewesen, wenn es in Hof ein Verlag gegeben hätte, der ihn verlegt hätte – aber wer hilft schon einem „No-Name“ in so einer immer noch sehr konservativen Stadt?
In Hof gibt es ein Jugendtreffpunkt – zu meiner Zeit hieß er: „Jugendzentrum Q“. Er war und ist noch ein Treffpunkt für unsere Jugend. Viele Nationen beherbergt Hof. Ich fand es gut, dass sich hier die Kinder verschiedenster Nationen treffen. Es gab Programme für Integration, für Freizeitbeschäftigung und mehr. Doch wie immer war chronischer Geldmangel ein arges Problem. So kam ich auf den Gedanken, mit meinem Erstlingswerk etwas Gutes tun zu wollen.
Also Kontaktierte ich die Stadt Hof Abteilung Fachbereich zentrale Steuerung und Bürgerdienste Medienstelle Herrn Nürnberger, sprach mit Stefan Hofmann und Hannelore Wagner und begann ihnen von meinen Gedanken, eine Benefizlesung zu Gunsten des „Jugendzentrum Q“, dass derzeit finanzielle Mittel für den Ausbau und Aufrechterhaltung der Angebote dringend brauchte.
So begann ich eine Tour durch die Geschäftswelt von Hof und bat um Unterstützung für mein Vorhaben. Meine Bitte war, dass ich Werbung für mein Vorhaben auslegen darf und dass mein Buch dort verkauft wurde. Die Läden, die sich damals mit beteiligten, werde ich am Ende meines Berichtes mit aufschreiben. Die Frankenpost bat ich auch um Unterstützung. Ich dachte an eine kostenlose Werbung, Begleitung und Berichterstattung. Wieder bekam ich zu spüren, dass ich nur ein „No-Name“ war. Ich wurde dezent abgewiesen. Zum Abschluss sprach in der Buchhandlung „Gondrom“ vor und wir vereinbarten eine Buchvorstellung.
Frau Hannelore Wagner hatte eine brillante Idee: Im Jugendzentrum gab es damals eine Kindergruppe, ich meine sie waren zwischen 6 – 12 Jahre alt, die „artistische Nummern aufführten – ein Kinderzirkus. Diese Kinder machten, während ich in der Buchhandlung Gondrom die Buchvorstellung veranstaltet, in der Fussgängerpassage Werbung. Der ein jonglierte mit Bällen, die eine war ein kleiner Clown, die Kleinsten trugen Schilder mit selbst gemalten bunten Worten, wo darauf hingewiesen wird, dass hier etwas für das Jugendzentrum getan wird, um den Hals. Leider konnte ich es nicht selbst miterleben – doch was ich erlebte, war …wow. Noch heute habe ich die Bilder in meinem Kopf und wenn ich tief in meinem Inneren grabe, finde ich noch Gefühle von damals wieder.
Stellt Euch vor: Ich habe zwei Partytische bekommen, die mit einem weinrotfarbenen Tuch abgedeckt waren. Auf dem einem standen meine Bücher, auf dem anderen befand sich der Sekt in silbernen Eis-Kühlern. Abwartend stand ich gleich neben der Kasse, etwas abseits der Tische und beobachtete die Interessenten. Sie kamen, näherten sich vorsichtig, umkreisten die Tische und dann, dann griffen auch mal Hände zu den Büchern, aber eher zu dem Sekt. Näherte ich mich den Lesern, sprach sie auch an… flugs legten sie das Buch wieder zurück und verschwanden. Ich ging wieder an meinen Platz neben der Kasse. Da waren sie wieder, die Hofer von vorhin. Erst umkreisten sie den Tisch mit den Büchern, näherten sich vorsichtig und wieder griffen sie zu. Ich sage Euch, das ermüdende, doch amüsierende Spiel ging den ganzen Tag. Der Hofer…ich dachte fortwährend an die Geschichten vom Hofer Spaziergänger – das Gerchla, … die Geschichten sind wahr. Eigentlich hätte ich Vergnügungssteuer zahlen müssen.
Es kam der Abend. Ich wollte keine Buchlesung im „normalen Stil“ – also kein Holztisch, mich rann lümmeln und den Leuten etwas vorlesen. Mit Kerzen, einem Schädel, einer Rose, einer Kristallkugel etc. zauberten wir eine etwas andere Stimmung. Es lag etwas in der Luft – das Mystische – nicht greifbare. Und wer da alles so kam? Oh weh… 1 Euro betrug der Eintritt, ein Euro für eine gute Sache, für unsere Jugend und Zukunft.
Fünf Erwachsen war es wert, diese Lesung mitzugestalten. Was ich aber super fand: 12 Jugendliche verschiedenster Nationen warteten im Halbdunkel und waren gespannt auf das, was da wohl noch so passiert. Vom Türken, Griechen, Jugoslawen… bis hin zum Deutschen, im Alter von 14 – 18 Jahre. Ich war beeindruckt! Sie waren freiwillig hier und hörten sich spannende Passagen an, die ich ausgewählt hatte. Nach meinem Roman las ich noch ein paar Gedichte aus meinem 1. Lyrikband vor. Anschließend diskutierten wir. In Erinnerung habe ich noch, dass über ein Gedicht besonders intensiv gesprochen wurde: „Bruderliebe“. Es regte die Gemüter von Groß und Klein und die Fantasie an. Die Familie stand bei vielen der Jugendlichen im Mittelpunkt. Schlagworte wie: Bruderehre, Geschwisterbande, ein gutes Zuhause, Mutter- und Vaterliebe, die Familie ist etwas Besonders und Wertvolle bis hin zum Leben in einer Generationsfamilie. Sie waren laut, impulsiv, engagiert und in allen Punkten stimmten sie überein, die Jungen und Mädchen. Nur die zwei deutschen Jugendlichen – sie waren still. Ich fühlte, dass sie etwas hörten, dass sie auch gerne erleben würden oder hätten…
Bruderliebe
Bist mir ein guter Bruder,
geschmiedet in der Zeit,
geformt durch Feuer, Angst und Leid,
durch Schicksale verbunden,
doch haben wir uns nicht gefunden.
Schicksalhafte Welten.
Leben in zwei verschiedene Kosmen,
sprechen die gleiche Sprache,
können uns hören, nicht verstehen,
müssen verschiedene Wege gehen,
manch heiße Träne vergossen,
heimlich, na klar,
sie konnten nicht löschen das Verlangen
nach dem Bruder, so wie´s mal war.
Schicksalhafte Welten.
Hab alle Zeit der Welt,
fast die ganze Ewigkeit.
Eines Tages wird sie zu Ende sein –
Die Suche!
Gefunden der verlorene Weg,
und wenn’s nicht hier sein soll auf Erden,
Hoffnung, sie allein lässt uns werden,
sterben wird die Bruderliebe nie!
Schicksalhafte Welten.
Es wurde ein lebhafter Abend. Als ich mich später von Frau Wagner verabschiedete, bemerkte ich in mir, dass eine Missstimmung mitschwang. Es lag wohl daran, dass ich mir gewünscht hätte, meine Aktion hätte mehr Aufsehen erregt, dass sich die Zeitungen der Stadt, die Hofer Politik, die Geschäftswelt und die Bevölkerung dieser Stadt sich mit dem „Jungendzentrum Q“ mehr auseinandersetzen und agieren würden, statt zu jammern und zu klagen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass ich ein „No-Name“ bin, keine Berühmtheit – eben nur ein Bürger, der sich Hof als „Wahlheimat“ ausgesucht und es auch auf seine Weise lieb gewonnen hat. Ob es weitere solche Aktionen gegeben hat? Ich kann es nicht sagen. Später konnte ich einen Betrag von 101 Euro und 11 Cent überreichen. Anmerken möchte ich noch, dass es damals keine Spende, egal von wem auch immer gab, nicht einen Cent. Ich bin einfach nicht gut im Betteln.
Es dennoch eine gute Sache, ein toller Tag und der Abend… er gab mir das zurück, was der Tag mir stahl.
Wie versprochen die Geschäfte, bei denen ich meine Werbung und meine Bücher auslegen durfte. Verkauft wurde damals nicht ein einziges. Ob er schlecht ist… lest ihn selbst… mit Stolz darf ich sagen, dass er derzeit die 5. Auflage erfährt.
Mein Anschreiben
Grüß Gott,
mein Name ist Stan Marlow,
bin ein Hofer Schriftsteller
und möchte in einer Werbekampagne,
die zum 31.Mai 2004 endet,
Ihnen mein Buch „Verfluchte Versuchung“,
erschienen im Triga Verlag, 3. Auflage,
vorstellen.
Das Motto dieser Aktion, im Einvernehmen
mit der Stadt Hof/Saale, steht unter dem Motto:
– Kunst für einen guten Zweck –
Meinen ganzen Autorenlohn und den Verkaufserlös spende ich dem
Jugendzentrum Q
Diese Aktion kann nur mit der freundlichen
Unterstützung der „Hofer Geschäftswelt“ stattfinden,
für deren Hilfe und Verständnis ich mich recht herzlich bedanke.
Wunschladen
Brillen Fichtner
Autohaus Seith
Raiffeisenbank
Goldschmied Horn
Buchhandlung Gondrom
Heidis Chick & lässig
Praxis Dr. Knoll
Stadt- und Kreissparkasse Hof
Praxis Ulli Hartmann
Es wäre wundervoll, wenn Sie mit dem Kauf
meines Romans „Verfluchte Versuchung“ diese Aktion
unterstützen würden.
Gern werden auch Spenden entgegengenommen.
Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen!!
Ihr
Stan Marlow
alias Stephan Machnitzki
Ich war dabei..
in der Wahlheimat Stan Marlows. Wie stets ist seine Bereitschaft, Hilfe zu leisten, wo immer es nötig ist, und er es kann, sprichwörtlich. Der Abend zur Lesung war sehr gut vorbereitet. Stan schrieb schon darüber. Die Kerzen flackerten, die jungen Leute kamen zuerst zögerlich, waren später jedoch gespannt, erstaunt, und letztendlich erwartungsvoll: Was wird das? Was wird er bringen?
Das Jugendzentrum ist so etwas wie ein zu Hause in der Freizeit für die Jungen und Mädchen aus den verschiedenen Nationen. Zwölf sehr aufmerksame Zuhörer, davon zwei Deutsche, saßen uns fünf Erwachsenen gegenüber. Der Autor hatte natürlich die spannendsten Abschnitte aus seinem Roman gewählt. Ein Hauch von Mystik umgab uns. Ansonsten waren nur noch Stille, Berührtsein und die flackerten Kerzen.
Jugend und Lyrik
Im Anschluss las Stan Marlow aus seinem 1. Lyrikband “ Gedankenlabyrinth “ einige Gedichte, unter Anderem das von
“ Bruderliebe „. Die darauf fogende Diskussion war sehr lebhaft, lautstark und emotional.
Und dann stand er auf, der jüngste Zuhörer: Ich bin bald 15 Jahre alt, sagte er. Ich kann das sehr gut verstehen. Ich lebe mit meinen Eltern hier, ich bin hier zu Hause. Mein älterer Bruder blieb in der Türkei bei den Großeltern. Ich liebe ihn, wir besuchen uns, wir sind auch in der Türkei, wir sind eine große Familie, wir halten zusammen, sprechen die selbe Sprache, hören uns aber verstehen, so wie das üblich ist, verstehen tun wir uns nicht. Es sind einfach zwei verschiedene Welten. Aber ich mag ihn, er ist mein Bruder! Danach bat er Stan um eines der Lyrikbücher. – Für mich selbst bleibt dieses Erlebnis unvergessen und sehr berührend!
Bist mir ein guter Bruder,
geschmiedet in der Zeit,
geformt durch Feuer, Angst und Leid,
durch Schicksale verbunden,
doch haben wir uns nicht gefunden.
Schicksalhafte Welten. Stan Marlow – Bruderliebe