„Während ich meinen Tee trank und mich bereitmachte, den Film im Stehen vor der weißen Wand zu erzählen, versicherte mein Vater seinen Gästen unermüdlich, der Film könne schwarzweiß sein und bloß die halbe Leinwand füllen, seine Kleine hier würde ihn in Technicolor und Cinemascope erzählen. „Gleich seht ihr es selbst, Kumpels.“
Etwas Aufregenderes als Kino gibt es nicht in dem Minendorf inmitten der chilenischen Wüste. Die Männer arbeiten im Salpeterabbau, die Frauen sollen vernünftig wirtschaften und haben die zahlreichen Kinder am Hals. Da bieten die Hollywoodfilme mit Marilyn Monroe, John Wayne oder Charlton Heston und die mexikanischen Melodramen mit viel Gefühl und Musik eine willkommene Abwechslung und den Abglanz einer anderen Welt.
Doch eines Tages erlebt die Siedlung etwas noch Schöneres als Kino: María Margarita, ein zehnjähriges Mädchen, kann Filme so anschaulich und dramatisch nacherzählen, daß die Leute herbei strömen, um sie zu hören. Bald drängt sich die halbe Siedlung in der engen Stube ihrer Familie, wo sie mit kindlicher Freude das Leinwandgeschehen zum Leben erweckt. Als sie eines Tages jedoch einem allein lebenden Mann in dessen Haus einen Western erzählen soll, widerfährt ihr etwas schrecklich Verstörendes. Kräftig, mit viel Sinn für Komik, aber auch für das Schlimme im Leben, erzählt der chilenische Bestsellerautor Hernán Rivera Letelier vom harschen Leben in der Atacamawüste und den Glücksmomenten seiner Hauptfigur als gefeierte Filmerzählerin. Eine Liebeserklärung an das Kino und die Kunst der Imagination.
Über die Autorin:
Leider kann ich nicht viele Informationen bieten außer, dass sie 1950 in Talca/Chile geboren wurde und noch dort lebt. Das Gengre, wo wir ihre Werke finden sind: Lyrik und Prosa.
aber
Über Svenja Becker, die diesen Roman übersetzt hat, ist folgendes zu lesen: Sie lebt als Übersetzerin in Saarbrücken. Offensichtlich hat sie schon mehrere Bücher übersetzt, die auf veröffentlicht wurden.
Rezensionen:
Kleines Buch ganz groß.100 Seiten. Fünfzehn Euro. Sehr geeignet als Geschenkbüchlein. Eines, das den Vorzug hat, dass der/die Beschenkte sich daran erfreuen wird. Ich behaupte: Jede(n). Nur wer ein kaltes Herz hat, wie der Protagonist im Märchen von Wilhelm Hauff, den wird das Buch nicht rühren. Aber erinnern wir uns, in dem Märchen aus dem Jahr 1827 ging es ja auch um ein Herz aus Glas. Und wer hat das heutzutage schon… Die kleine Erzählung von H. Rivera Letelier ist auch eine Art Märchen, eines aus unserer Zeit, will sagen, eine realistische Beschreibung. Der Insel-Verlag hat uns da eine Perle serviert und ehrlich ist ehrlich, den herzenswarmen Glanz einer literarischen Perle können wir im Allgemeinen nur genießen, wenn ein begnadeter Übersetzer die Geschichte für uns neu erzählt hat. Für uns hat diese zauberhafte Erzählung aus dem Spanischen übertragen: Svenja Becker. Ein Roman ist es, gut denn, ein lieber kleiner, realistischer Roman, der mich persönlich auf dieselbe Weise berührt hat wie der Slogan: Jedem Kind ein Instrument. Und dann sehen, wie die Kinder dort begeistert annehmen, was sich ihnen bietet und Unglaubliches daraus machen. In diesem Fall ist es kein Instrument, sondern ein Kino. Lesenswert. Sehr lesenswert. Ein kleiner, zarter, fröhlich erzählter Roman, der uns einen außergewöhnlichen Blick in einen Alltag in Chile schenkt. Gerne mehr davon.
geschrieben von Hexje
und
Die Filmerzählerin“ von Hernán Rivera Letelier ist zugleich die Erzählerin in dem Büchlein: in einem chilenischen Minendorf in der Atacama-Wüste wird immer ein Mädchen ins Kino geschickt, die anschließend zunächst nur der Familie, im Lauf der Zeit auch anderen zahlenden Zuhörern den Film erzählt. Zunächst war das nur um Eintrittsgelder zu sparen, nachdem sie ihre Sache aber so gut machte, die Filme sogar mit Requisiten und Musik nacherzählte, kamen immer mehr Nachbarn und Freunde, um die Erzählungen zu hören – und auch etwas Geld da zulassen.
Verschiedene Schicksalsschläge brechen über die Familie und das Dorf herein, ihr größter Konkurrent wird aber das Fernsehen …
Ein poetisches Büchlein, schnell gelesen, bezaubernd.
geschrieben von Max