Daniel Deserno, 39, bis vor kurzem Investmentbanker, ist Patient in der Kurklinik Waldhaus, unter lauter Prominentenleichen mit Depressionen. Freundin Selma aus der Kulturstiftung der Bank hat ihm nach einem Streit unter dem Weihnachtsbaum mit dem eben ausgepackten Edelkorkenzieher seinen Porsche ruiniert, wie das männlichste Teil unter Daniels Kollegen hieß. Und in der teuren Kurklinik hängt er den Zeiten ungehemmter Sex- und Geldvermehrung nach, bis eine neue, junge Patientin auftaucht: die mit einem Buch über ihre Hämorrhoiden soviel Erfolg hat, dass sie darüber schwermütig wurde. Daniel und die Neue kommen sich rasch näher, dann aber kündigen Selma und auch noch Daniels altlinke Mutter ihren Besuch an, weil im Waldhaus ein berühmter Autor aus seinem Goethe-Roman liest. Und im Zuge dieser Lesung über Johanns Nummer mit seiner Sponsorin Anna Amalia kommt Daniels Porschewrack zu einem nicht mehr für möglich gehaltenen Sieg, während ringsherum die Finanzwelt einstürzt.
Bodo Kirchhoff verschränkt vier verrückte Liebesgeschichten mit dem Kollaps eines verrückten Systems – ein aberwitziger Kommentar zu den Krisen in der Welt des Geldes und der Literatur.
Über den Autor:
Bodo Kirchhoff, geboren 1948, lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane, Erzählungen und Novellen, Theaterstücke, Drehbücher und Aufsätze. Nach seiner ersten Veröffentlichung 1979 gelang Kirchhoff mit dem Roman »Infanta« 1990 der Durchbruch bei Publikum und Kritik im In- und Ausland. Nach weiteren Werken kam 2001 der vielbeachtete Roman »Parlando« heraus; 2002 folgte Kirchhoffs höchst erfolgreicher »Schundroman«. 2007 erschien »Eros und Asche«, ein Freundschaftsroman.
Rezension von Niclas Grabowskis
Vor immerhin sieben Jahren erschien ein Buch von Bodo Kirchhoff, was nicht nur intelligent und lustig, sondern auch noch nebenbei ein spannender Krimi mit Liebesgeschichte war. Seinen Titel, „Schundroman“ führte dieses Buch natürlich selbst ad absurdum, denn so unterhaltsame Lektüre ist tatsächlich selten. Sowohl im Genre der hohen Literatur als auch des Unterhaltungsromans. Und so muss man sich wohl erst einmal freuen, wenn man hört, dass der neue Roman von Kirchhoff wieder an sein altes Erfolgsbuch anknüpft. Wie in „Schundroman“ geht es auch in „Erinnerungen an meinen Porsche“ um einen Mann, dessen zentrales Körperteil verletzt ist – besser: Von jemand anderes verstümmelt wurde – und daher seiner für das Leben eben doch elementaren Funktion nicht mehr nachkommen kann. Aber es geht nicht nur wieder um das Bild eines beschädigten Mannes. Auch die Mediengesellschaft der Bundesrepublik wird erneut auf die Schippe genommen. Es hilft beim Lesen sehr, wenn man regelmäßig die Bunte oder zumindest Kulturmagazine liest, um alle hier karikierten Personen und Ereignisse wieder zu erkennen. Liest man dagegen wirklich Bücher oder geht ins Kino statt vor der Glotze zu hängen, wird man vielleicht sogar überfordert sein aufgrund der puren Anzahl der Anspielungen. Aber es geht noch weiter mit den Anknüpfungen an den Schundroman. Dessen Protagonisten tauchen hier im neuen Buch auch wieder auf. Und dann ist „Erinnerungen an meinen Porsche“ natürlich auch wieder ein Spiel mit der Gattung der Trivialromane. Kirchhoff macht sich lustig über die Art, wie man ein Erfolgsbuch schreibt.
Und da wären wir beim Punkt gelandet, warum der Witz diesmal weit weniger gut aufgeht als beim letzten Mal. Ausgerechnet die etwas handlungslosen „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche hat sich Kirchhoff hier vorgenommen. Und so lesen wir diesmal nicht von der Reise eines Profikillers von Manila nach Frankfurt an der Seite einer Luxusnutte, sondern nur von dem etwas drögen Aufenthalt eines Bänkers in einem Sanatorium, der über sein nun gleich aus mehreren Gründen ruiniertes Leben schreibt. Und wie auch beim Aufenthalt von Helen im Krankenhaus in „Feuchtgebiete“ fragt man sich, wann die Handlung endlich losgeht. Denn außer der schon witzigen Idee, dass gerade diese Helen plötzlich im Sanatorium auftaucht, passiert nicht gerade viel. Dafür wird der Leser ewig, nämlich das über das halbe Buch, hingehalten, warum genau nun das beste Stück des Protagonisten von dessen eleganter Freundin ruiniert worden ist.
Auch die vielen coolen Sprüche über die Wirtschaftskrise wollen nicht so richtig zünden. Denn sie sind nicht neu. Und der Witz, dass ein Kind von 68 (ja, doch, auch wenn der Protagonist 1970 geboren ist, aber merkwürdigerweise im Jahr der Wirtschaftskrise – also 2008 – schon 39 Jahre alt wird) eben gerade einer der bösen Finanzjongleure wird, kommt mir ebenfalls nicht wirklich kreativ vor. Die Erkenntnis, dass im Inneren einer Blase nur Luft ist, sollte einer Generation, die immerhin schon drei Börsendesaster mitgemacht hat, nicht mehr seitenlangen Text wert sein. Oder anders: Nicht jeder Text eines Romans, der aktuell ist, ist damit auch gut.
Auf der anderen Seite merkt man dann auch wieder, dass Kirchhoff schon ein nicht nur routinierter, sondern wirklich begnadeter Autor ist, wenn es um die Qualität seiner Texte geht. Sprachlich ist das alles elegant, liest sich flüssig und in den Formulierungen witzig. Wunderbar gelungen sind auch einzelne Szenen. So ist zum Beispiel das Wunder verblüffend, das einen Lahmen am Ende doch noch wieder laufen lässt, und das so gar nichts mit den Wundern zu tun hat, die ein Arzt, ein Priester, eine Physio- sowie eine Psychotherapeutin zuvor prophezeit hatten. Weiterhin werden Leser, die selbst zu ihrer Mutter ein kritisches Verhältnis pflegen, von den Beschreibungen der Mutter des Helden durchaus angetan sein. Und auch das Ende des Buches, die langsame Steigerung mehrerer Liebesgeschichten zu einem herzhaften Finale ist natürlich gut gelungen. So wie die vielen, durchaus humorvollen Sexszenen.
So bleibt nach dem Lesen des Buches insgesamt ein etwas zwiespältiges Gefühl beim Leser zurück. Aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass man die doch weit lebendigere Handlung des originalen Schundromans vermisst. Ich werde diesen jetzt jedenfalls einfach noch mal lesen und mich großartig dabei fühlen.
Anmerkung:
Eigentlich ist dies nicht meine Genre, dass ich lese, doch nach den ersten Seiten wurde ich so neugierig, dass ich die „Nacht zum Tag“ machte. Nur die dunklen Ringe unter meinen Augen blieben für den nächsten Tag.