Es ist an der Zeit!
Berühren wir die Welt der anderen, der Wesen, die hungrig nach Energien sind, nach Macht, nach Dir…
Lasst uns ganz von vorn anfangen. Im jugendlichen Alter von 17 Jahren stand ich mit beiden Beinen fest im Leben verankert. Ich wusste von Gott, den Propheten, den Guten sowie Bösen. Es gab nur das eine: Schwarz und Weiß. Das jedenfalls macht uns unsere Kultur, das Christentum und unsere Erziehung weiß. Ich glaubte daran. Mehr noch, ich war fest davon überzeugt.
Doch es kam anders.
Heute wie damals ist die Jugend ahnungslos, neugierig und unbedarft. In der Clique sprachen wir über viele Themen, die uns berührten. Über Geister, Gespenster, Vampire, Guls und mehr unterhielten wir uns am Lagerfeuer, wenn die Sonne untergegangen ist. Oft kroch uns Gänsehaut über den Rücken. Wir übertrafen uns bei unseren Erzählungen, Vorstellungen und Unternehmungen.
Eine dieser Unternehmung war, dass wir uns auf unsere Mopeds schwangen, die Mädels hinten drauf. Wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen, war es gegen Mitternacht, als wir zum Stadtfriedhof in Hof an der Saale fuhren. Wir hatten gehört, dass dort Gräber aufgelöst wurden. Im Dunklen, wo das Licht der Straßenlaterne nicht die Friedhofsmauer berührte, stellten wir die Mopeds ab und kletterten über die Friedhofsmauer. Still war es. Kein Käuzchen schrie. Nicht einmal der Wind bewegte die Blätter in den Bäumen oder streichelte die Blumen, die auf dem Bett der Toten standen. Leise flüsternd liefen wir durch die Reihen. Das Licht der Taschenlampen tauchte unsere Gesichter in einem fahlen gelben Schein. Unsere Fantasien spielten verrückt. Ab und zu, wenn wir ein Geräusch zu vernehmen glaubten, versteckten wir uns hinter den Grabsteinen. Mal waren sie alt und verwittert, mal war die Erde noch ganz frisch. Endlich erreichten wir sie Stelle, wo die Leichengräber ihre Arbeit verrichtet hatten. Es roch irgendwie anderes, muffig, würde ich sagen. Die dunkle aufgeworfene Erde der alten geöffneten Gräber spielte mit dem Licht der Taschenlampen Schattenspiele. Plötzlich wurde das Licht der Lampen aus der dunklen Erde zurückgeworfen. Knochen und Bruchstücke ragten mal spitz, mal stumpf rostig braun aus der Erde. Schnell langten gierige Hände zu und zogen sie ganz heraus. Ein halber knöcherne brauner Schädel, mal ein Oberschenkelknochen. Er war noch ganz, kaum von der Zeit, der Erde oder den Würmern angenagt. Das Rascheln der Aldi-Tüte war unnatürlich laut, als unsere Beute darin verschwand. Dann rannten wir, ich glaube wir waren zu 18zent, durcheinander, jeder so schnell wie er konnte zu der Stelle an der alten vermoosten Friedhofsmauer, die es noch zu überwinden galt. Dort warteten wir auf die anderen. Doch zwei fehlten. Was war passiert? Wo blieben sie? Leise hallten unsere Rufe über den Friedhof. Nur ein krächzendes Echo war die Antwort. Das letzte Quäntchen Mut zusammengenommen starteten wir die Suche. Wir passierten die jahrhundertalten großen Kastanien und schlichen weiter in die Richtung der aufgeworfenen Gräber. Links ein frisches Grab. War es schon vorhin da? Plötzlich flog etwas durch die Luft und traf mich in den Rücken. Erschrocken drehte ich mich um und mit Entsetzen sah ich, dass es ein Oberschenkelknochen war. Die Mädels schrien und kreischten eine gefühlte Unendlichkeit lang. Die Stille, die darauf eintrat wurde durch ein plötzliches Krächzen, Prusten und Lachen unterbrochen. Es waren die Zwei, die wir gesucht hatten. Sie bezogen ein paar Schläge von den Mädels. Erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert war, schlichen wir zurück, kletterten über die Mauer und zehn Moppetsmotoren dröhnten durch die Nacht. Zu Hause angekommen schauten wir uns bei Whisky, Bier und andere leckeren Sachen unsere Beute an, kochten sie aus und Thomas, bei ihm waren wir damals zu Gast, hängte sie in seinem Zimmer als eine Art Trophäe auf. Die Nacht war noch lang. Oft kroch noch die Gänsehaut über unseren Rücken. Erst als der Mond unterging, der Tag die dunklen Schatten verjagte, gingen wir schlafen.
Eines will ich anmerken: Thomas lebte nicht mehr lange. Er hatte einen Unfall. Er schlug schwer mit dem Kopf auf und der Schädel öffnete sich. Ob es die Rache derer war, dessen Ruhe er gestört hatte, vermag ich nicht zu sagen. Gruselig ist aber der Gedanke schon, oder?
Für mich war es ein prägendes Erlebnis, eben nur ein Erlebnis, bis ich eine Einladung zu einer Seance bekam.
Ich kannte den Großteil der Teilnehmer nicht, die an der Seance teilnahmen. Skeptisch war ich, wollten wir doch Kontakt mit der Geisterwelt herstellen. Ein Interview mit einem Geist? Makabrer Gedanke. Ich war einfach zu neugierig um nicht hinzugehen. Ich nahm mir vor den Tisch, das Pergament, ja eigentlich alles genauestens zu untersuchen. Ich wollte mich doch nicht verarschen lassen.
Wir waren zu siebent. Vier Jungens und 3 Mädels. Das Haus war modern eingerichtet. Das Zimmer, in dem die Seance stattfinden sollte war minimalistisch. In der Mitte stand ein großer runder Tisch um den sieben Stühle standen. Ein großer Bogen Pergamentpapier gedeckte seine Fläche. Auf dem Papier stand das Tischen. Der Schlüssel zur Geisterwelt. Es war aus einem Holz. Nicht geleimt, nicht genagelt. Es hatte 3 Beine, wobei das eine Bein durch einen Bleistift ersetzt war. Es war nicht groß. Ich nahm es in die Hand. Nachdenklich schaute ich es an, konzentrierte mich, ob ich etwas spürte. Was ich suchte – keine Ahnung, etwas Ungewöhnliches. Damals wusste ich es nicht.
Zusammen mit dem Leiter der Seance waren wir zu acht. Drei von der Runde waren noch nie auf solch einer Zusammenkunft. Erzählte was gleich passieren wird. Er sagte, dass wir Geduld bräuchten, wie höflich zu dem Geist sein sollten, kein Lachen, kein Scherzen und ja nicht den Schutzkreis verlassen, bevor wir uns nicht verabschiedet hätten. Auch durfte der Kontakt mit dem Stuhl nicht unterbrochen werden. Ich machte mir schon so meine Gedanken. Wo war ich nur hingeraten? Die schweren Vorhänge, ich bemerkte sie erst jetzt, wurden zugezogen. Streichhölzer flammten auf und setzte die Kerzen eines acht-flammigen Leuchter in Brand. Mir war es als verdichtete sich die Atmosphäre. Sicherlich spielte die Fantasie mir diesen Streich. Wir setzten uns. Jeder durfte, wenn der Kontakt hergestellt war, eine Frage stellen, nur eine Frage. Wir waren Sieben! Warum ich das so betone? Zahlenmagie war mit im Spiel! Zu diesem Wissen kam ich erst Jahre später. Wir setzten uns und jeder berührte mit einem Finger das Tischchen. Der Kontakt war hergestellt. Mit ruhiger Stimme rief der Mann leise in den Raum: „Wir suchen nach einem Kontakt aus dem Jenseits. Wer will mit uns in Kontakt treten? Ist hier jemand? …“ und das ging mindestens gefühlt eine Stunde: Mir wurde langweilig. Der Arm wurde schwer. Ich sah in die Gesichter der anderen. Einigen erging es genauso wie mir, anderen sah ich einen gewissen Stress an und bei einem Mädchen sah ich, wie sich Kerzenlicht in den Schweißperlen, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatten, spiegelte. Ich wollte schon aufgeben, die Stille unterbrechen als durch das Stühlchen ein Ruck ging. Es bewegte sich und mit ihm bewegten sich unsere Arme und Hände. Mein Herz ging ein paar Takte schneller. In den Schläfen pochte es. Das Begrüßungsritual wurde durch den „Meister“ vollzogen. Der Geist war uns wohlgesonnen – bin ich irre, wie sich das anhört. Jeder durfte eine Frage stellen, nur eine! Ich nahm mir vor, es dem Geist so schwer wie möglich zu machen. Mir kam es vor, als zöge gerade die Ewigkeit an mir vorüber. Endlich war ich an der Reihe. Ich holte tief Luft, dann fragte ich: „Wie lautet das Datum, an dem mein Vater starb?“ Niemand der hier Anwesenden wusste davon. Es waren noch immer leise Zweifel vorhanden. Das Tischchen blieb mit einem Ruck stehen. Es verging einige Zeit. Ich frohlockte innerlich, den Geist oder den „Zaubermeister“ ertappt zu haben. Ich kann noch heute die leichte Kälte nachempfinden, die mich damals berührte und mein Erstaunen oder war es Entsetzen, als der Bleistift, der das 3. Bein des Tischchens war, anfing zu schreiben. Kurze Zeit später konnte war auf dem Pergament zu lesen:
19. 5. 1972
Einige Zeit später:
Meine Einstellung zur „Geisterwelt“ hatte sich verändert. Mit wurden Wege aufgezeigt, die begangen werden wollten, Welten, die berührt werden sollten und Tiefen, in die ich sehen sollte.
Das Tischchen- und das Gläserrücken haben vieles in der Aus- und Durchführung und im Ergebnis gemeinsam:
Es ist ein Spiel mit dem Feuer.