Zwei gute Freunde fragen sich eines Tages, für welche Werte sie eigentlich stehen. Der eine von beiden ist Journalist, der andere arbeitet als freier Schriftsteller. Aus einer Art Zwiegespräch ist ein sehr bemerkenswerter Dialog entstanden, der Schulzeit, Familie und Herkommen, Rebellion, politische Entwicklung seit Beginn der siebziger Jahre und die eigene Gesinnung bis heute thematisiert. Dass die gedanklichen und politischen Überzeugungen und Lebensgewohnheiten der 68ger Generation bis weit in die Jugendzeit jener hineinreichte, die erst Ende der fünfziger Jahre geboren wurden, ist gut nachvollziehbar. Unsicherheiten über die politischen Unruhen jener Jahre kennzeichnen das Leben beider Freunde.
Rezension: von Christian Herweg
Hacke und di Lorenzo unternehmen „eine Art Inventur“ des eigenen Erlebens und Denkens, aber auch der eigenen Angst, der eigenen Feigheit (Wo haben wir uns davon gestohlen) und Selbsttäuschung (Wann belügen wir uns). Die beiden sind dabei kein Maßstab und keine Moralprediger, keine Richter anderer, sie stellen keinen Tugendkatalog auf, sondern unternehmen den Versuch, durch die Darstellung ihres eigenen Erlebens und Empfindens für andere den Impuls zu geben, sich selbst die Fragen zu stellen: Wie lebe ich mein Leben? Wovor habe ich Angst? Beurteile ich heute Sachverhalte anders als noch vor einiger Zeit?
Als Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit.
Ein stilles, tiefes und beeindruckend menschliches Buch.
und von Falk Müller
Es gibt z.B. ein Kapitel „Wieviel Wahrheit vertragen wir?“. Die Autoren stellen hier die Frage, was passieren würde, wenn Politiker all das aussprechen, was sie wirklich denken und wissen. Der Gegenwind wäre vorprogrammiert – in den eigenen Reihen, bei der Opposition und in den Medien sowieso. Also wird laviert, jedes Wort abgewogen, politische Absichten nur scheibchenweise unter das Volk gebracht. Dabei werden unangenehme Wahrheiten und Schritte durchaus von einer Gesellschaft akzeptiert, wenn die Politik deutlich machen kann, warum sie notwendig sind. So wäre es z.B. möglich, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen, wenn man einen allgemeinen Konsens vermitteln könnte, ein bisschen weniger materiellen Wohlstand hinzunehmen: weniger Fernreisen, weniger Energieverbrauch, etwas geringere Rentenzahlungen. Die Gesellschaft als Ganzes würde dabei nicht unbedingt unglücklicher.
Fazit: Im Buch gibt es einige solch interessanter Kapitel. Leider hielten die Autoren ein Inhaltsverzeichnis für entbehrlich. Was gerade bei diesem Buch schade ist – deshalb der Stern Abzug. Denn oft wird man schon durch Kapitelüberschriften in ein Buch „hineingezogen“. Und das wäre auch bei dem Buch in besonderen Maße der Fall gewesen. Gleichwohl wird es auch so seine Leser finden, denn die Inhalte liefern genug interessante Denkanstöße.
Über die Autoren:
Axel Hacke
Den Alltag noch mal gegenlesen: Axel Hacke findet Geschichten in den kleinen Dingen. Ob Gebrauchsanweisungen, häusliche Betrachtungen oder Reisebegebenheiten – alles kann ihm Stoff liefern für Reportagen, Sprachkritiken und geschliffene Kolumnen. Begonnen hat der 1956 geborene Schriftsteller im Jahre 1981 als Sportredakteur bei der „Süddeutschen Zeitung“.
Giovanni Di Lorenzo:
Di Lorenzo wuchs als Sohn des Italieners Carlo di Lorenzo und der Deutschen Marianne Matull zunächst in Italien, ab dem elften Lebensjahr bei seiner Mutter und seinem Zwillingsbruder Marco in Hannover auf und besuchte dort das Ratsgymnasium und die Tellkampfschule. Er studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Kommunikationswissenschaft, Neue Geschichte und Politik. Seine Magisterarbeit schrieb er über Strategie und Aufstieg des Privatfernsehens in Italien am Beispiel der Networks von Silvio Berlusconi. 1985 bis 1986 wirkte er als Berater an der Neugestaltung der Süddeutschen Zeitung und des Münchner Stadtanzeiger mit. Im Mai 1987 wurde di Lorenzo Mitglied der innenpolitischen Redaktion der Süddeutschen Zeitung, von Mai 1994 bis Ende 1998 Ressortleiter der Reportagen vorbehaltenen Seite Drei. Anfang 1999 wechselte er als Chefredakteur zur Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel. Seit August 2004 ist er Chefredakteur der ebenfalls bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck erscheinenden Wochenzeitung DIE ZEIT und außerdem einer von zurzeit drei Herausgebern des Tagesspiegel.