Am Anfang war ein Gedanke. Es dauerte eine Weile, bis er sich in meinem Kopf so „festsetzte“, dass aus ihm ein Buch für die großen und kleinen Leser wurde. Viele Gedanken, Wünsche, Fantasien etc. sind in diesem Buch sichtbar geworden. Wie oft meine Geschichten von den Großen den Kleinen vorgelesen oder selber gelesen, wie bunt die darin befindlichen Bilder von ihnen ausgemalt wurden, welche Fantasien sie hervorbrachten, weiß ich nicht. Auch mir wurde ein langersehnter Wunsch, von dem ich euch schreiben möchte, endlich erfüllt. Ich habe bemerkt, dass für Kinder zu schreiben eine besondere Herausforderung ist. Sie sind exzellente Zuhörer und unvoreingenommene ehrliche Kritiker. Das durfte ich bei einer Buchlesung in der Bibliothek in Auerbach erleben. Wieder war es der Zufall – gibt es überhaupt Zufälle, oder war es die Zeit, die ein Kinderprojekt bisher nicht zuließ – ich lernte eine Lehrerin kennen, die an der Freien Grundschule Leonardo in Chemnitz u.a. Kunst unterrichtet. Ihr erzählte ich von dem Kinderbuch und von meinem kleinen Traum, mit Kindern zusammen ein Projekt zu gestalten. Sie war von dieser Idee begeistert und versprach schon in den nächsten Tagen, zusammen mit den Schulklassen – 1 bis 3. Klasse – einen Kunstkalender, das war ihre Idee, herzustellen.
Aus Kinderbuch wählte sie für jede Klasse eine Geschichte aus, die sie den Kindern vorlas. Mit spitzen Bleistiften wurden die Bilder aufs Papier gebracht, die in den Köpfen der Kleinen herumgeisterten. So entstanden die ersten skizierten „Meisterwerke“.
Einige Zeit später, nachdem ein Großeinkauf an Linoleum stattfand und die Messer geschliffen waren, wurden diese Skizzen in das Linoleum eingeritzt. Es war schon beeindruckend, wie die kleinen Finger die scharfen Messer festhielten, damit jede gewollte und erdachte Linie gelang. Die Konzentration der kleinen Köpfe war fühl- und erlebbar. Mit einem leichten Schmunzeln bemerkte ich den doch etwas größer angelegten Vorrat an Pflaster, Binden und anderen medizinischen Hilfsmitteln. „Wie mir versichert wurde, bestand auch eine Hotline zum Notfallkrankenhaus.“ Es dauerte schon seine Zeit, bis das Bild fertig war. Jeder zeigte seine Druckplatte dem anderen. Das war ein Stimmengewirr, ein Gewusel und ich konnte in lachende, aber auch in ernstere Gesichter schauen. Worte wie: „… das sieht cool aus, krass oder das sieht aber schön aus… sind noch in meinen Erinnerungen. Einige erschienen erleichtert, dass sie es geschafft haben – und sie waren stolz auf ihr Werk.
Aber die Arbeit war noch nicht getan. Die Idee einen „Kunstkalender“ zu schaffen, war erst zur Hälfte umgesetzt. Jetzt wurde es interessant und spannend: Das fertige Linoleumbild wurde zur Druckplatte. Farbexperimente wurden durchgeführt – jeder wollte jede Farbe verwenden und letztendlich fand die „richtige Farbe“ ihren Weg auf die Druckplatte. Spannung pur; Der Druck sollte endlich zeigen, was zuerst in den Köpfen entstanden, das dann per Messer in die Linolplatte geritzt und letztendlich eingefärbt war. Auf farbigem Papier wurde der Druck vollzogen. Das Ergebnis ist sehenswert. Das erste Blatt eines „Kunstkalenders“ war fertig. Kritisch wurde das Werk zusammen mit der Pädagogin ausgewertet. Es galt noch weitere 11 Drucke zu gestalten. Schwierig war: Farbiges Druckpapier musste mit der Linoldruckfarbe in Kontrast stehen, Genauigkeit, Geduld und Aufmerksamkeit der Schüler wurde immens gefordert.
Endlich fertig! Zum Schluss wurden die 12 Kunstdrucke zu einem Kalender gebunden.
In der Galerie können diese einzelnen Blätter bewundert werden. Aus meiner Sicht, war es ein erfolgreiches Projekt, dass gezeigt hat, was Kinder in diesem Alter an kreativem Potential haben. Durch Aktionen dieser Art werden Kinder in ihrer kulturellen Entwicklung und Ästhetik gefördert. Zusammengefasst sage ich nur: da capo al fine
„Was krabbelt da im Morgentau“
– Kunstprojekt mit Kindern der Freien Grundschule Leonardo –
Meine Worte und Gedanken habt ihr nun gelesen. Der Pädagogin erteile ich nun das Wort:
„Der Linolschnitt ist eine faszinierende Technik, mit der nicht nur ein echtes Unikat entsteht, sondern das Kunstwerk vielfach gedruckt werden kann. Bis zum fertigen Ergebnis bedarf es etwas Geduld und die Fähigkeit, den Prozess zu überblicken. Um den Linoldruck im Endergebnis vor sich zu haben, sind einige kreative und handwerklich interessante Einzelschritte notwendig. Kinder der Klassenstufe 1 – 3 aus der Freien Grundschule Leonardo setzten sich im Kunstunterricht mit dem Thema „Linoldruck“ auseinander. Drei Geschichten aus dem Buch „Da krabbelt was im Morgentau“ von Stan Marlow lieferten den Schüler/innen die Grundlagen und gute Anregungen zur figürlichen Motivwahl. Die Klasse 1 versuchte sich mit „Peter, das kleine Häschen“, Klasse 2 konnte der Geschichte von „Mienz und Maunz“ lauschen und die Klasse 3 erfuhr die Geschichte von „Pitti, das Rehkitz“. Die Kurzgeschichten erzählten mal heiter aber auch ernst von den alltäglichen Erlebnissen in den Tierfamilien. Die Kinder erfuhren von lustigen Streichen der Kleinen, von den Sorgen der Großen, von Abenteuern, die zu bestehen sind. Die Motivauswahl zeigte sich bei den Kindern als spannende Suche, denn nicht jedes Motiv, jeder Entwurf war für den Linoldruck geeignet. Die Motive sollten klar und einfach gewählt werden. Vielfach ausführliche und detaillierte Bilder erwiesen sich in der Umsetzung auf der Linolplatte später als zu kompliziert.
Der Linoldruck zwingt zur Entschiedenheit in der Linien- und Flächenführung: Es gibt so gut wie keine Möglichkeit zur Korrektur, denn eine einmal weggenommene Fläche lässt sich nicht wieder einfügen. Als die Motive vorlagen, wurden sie mit Bleistift auf die spätere Druckvorlage gezeichnet. Bei der Übertragung auf die Linolplatte musste beachtet werden, dass später die gedruckte Abbildung spiegelverkehrt erschien. Mit verschiedenen Linolschnittmessern, von schmalen bis zu ganz breiten, wurde nun das Linolium bearbeitet. Dabei drückten die Schüler/innen das jeweilige Messer in das Linoleum, schnitten das Motiv aus oder schoben das Messer vorsichtig in Bahnen um die Motive. Danach ging es ans Drucken. Mit einer Walze verteilten sie verschiedene Farben gleichmäßig auf der Linolplatte. Papier wurde auf den Druckstock gelegt und kräftig mit der Hand darüber gerieben. Jeder Druck bedeutete eine Überraschung. Die mehrfache Reproduktion der Linolbilder war für die Schüler/innen ein spannendes Verfahren, denn es lieferte nicht nur ein Einzelstück, sondern das eigene Kreativwerk konnte zugleich an andere Kinder der Klasse verschenkt werden.“
Gundula Kunz-Freudenberg
Dipl. Sozialpädagogin
Klasse 1: Peter der Hase
Peter war ein kleiner Hase. Er wohnte mit seinen Geschwistern Flopsi, Topsi und Watteschwänzchen am Waldesrand unter der großen Eiche. Wenn sie morgens zum Spielen auf die Wiese laufen wollten, sagte die Mutter immer: „Geht bitte nicht in Herrn Griesgrams Garten. Und passt auf den Fuchs auf.“ Den Zeigefinger erhoben, fuhr sie fort: „Sie sind sehr gefährlich für euch.“ Flopsi, Topsi, Watteschwänzchen und Peter versicherten, dass sich die Mutter keine Sorgen machen müßte und dass sie bestimmt artig wären. In Herrn Griesgrams Garten gehen wir sicher nicht. Wir wissen, Herr Griesgram ist ein böser Mann. Vor dem Fuchs warnt uns Frau Elster, sie passt auch auf uns auf.“ So riefen die kleinen Hasenkinder, dann sprangen sie hinaus auf die Waldwiese, suchten sich feine Gräser und Kräutlein, die sie sich schmecken ließen. Sie hoppelten hierhin und dorthin, ließen sich vom Wind das Fell durchpusten und wärmten sich in der Sonne. „Peter, sieh mal, was ich gefunden habe!“, rief Topsi und hielt einen Knopf in die Höhe. Es war ein besonderer Knopf. Peter hatte ihn von der Tante Knickohr zum Geburtstag bekommen. Er war groß und rund und rot und hatte am Rand kleine goldene Punkte. Die Mutter hatte den Knopf vorn an Peters Hose genäht. Da leuchtete und glitzerte der Knopf mit der Sonne um die Wette Stolz zeigte ihn Peter jedem, der ihm begegnete. Aber jetzt war der Knopf nicht mehr an Peters Hose. Der Knopf lag auf der Wiese zwischen Blumen und Gras. „Peter, Peter, wo bist du?“ Topsi wurde immer aufgeregter, denn Peter gab keine Antwort und war auch nirgends zu sehen. Flopsi und Watteschwänzchen kamen gelaufen. „Topsi, was ist? Warum schreist du so laut?“, riefen sie.
Topsi zeigte ihnen den Knopf. Jetzt merkten auch sie, dass Peter verschwunden war. Alles Rufen und Suchen half nichts. Peter war nicht da.
Traurig hoppelten sie nach Hause...
Klasse 2: Mienz und Maunz
Burgrade ist eine kleine Stadt mitten zwischen der Heide und dem Wald mit dem großen Burgberg. Lisa ist zehn Jahre alt und wohnt im letzten Haus von Burgrade. In dem Haus mit dem schönen Garten wohnen auch ihre Eltern, Opa Hans und ihr Bruder Jens. Jens ist doppelt so alt wie Lisa. Lisa liebt Jens und ist stolz, einen so großen Bruder zu haben. Ein Leben ohne ihn kann sie sich nicht vorstellen. Jens macht alles, was Lisa möchte. Und Lisa hat die ausgefallensten Ideen. Findet Lisa die Hausaufgaben zu schwer, hilft ihr Jens. Möchte Lisa in der Gegend herumfahren, holt Jens das Motorrad aus der Garage und fährt mit ihr überall dorthin, wo Lisa gerne hinmöchte. Er geht mit ihr ins Schwimmbad und ins Museum, zur Disko und ins Theater. Jens hatte für Lisa ein kleines Gartenhaus gebaut und die passenden Möbel dazu. Zum Geburtstag bekam sie von ihm einen Computer geschenkt und im Winter, wenn alles zugeschneit ist, fahren beide mit den Skiern weit in die Heide hinein. Das ist jedes Mal ein richtiges Fest für Lisa. Ihre Freundinnen beneiden sie und Lisa gibt für ihr Leben gern mit ihren großen Bruder an. Jede wünscht sich so einen Bruder. Aber nur Lisa hat einen. Die Mutter schüttelt oft den Kopf. Der Vater schimpft manchmal. „Was soll aus dem Mädchen werden? Wenn du sie weiter so verwöhnst und ihr jeden ihrer Wünsche erfüllst, wird sie immer maßloser werden. Man kann nicht zeitig genug lernen, dass man im Leben auf vieles verzichten muss.“ Dann lacht Jens nur. „Lass mich doch. Es macht mir eben Spaß. Lange wird es ohnehin nicht mehr dauern, dann geht sie eigene Wege und braucht ihren großen Bruder nicht mehr.“
Klasse 3: Pitti, das Rehkitz
Im Wald gibt es nicht nur große, alte Bäume. Da gibt es noch eine ganze Menge andere Sachen zu erkunden. Dort, wo die Waldwiese ihre Grashalme und Blütenköpfchen leise im Sommerwind wiegt, Schmetterlinge von Blüte zu Blüte flattern, die Bienen und Hummeln mit Summen und Brummen Honig und Blütenpollen sammeln, die Marienkäfer eifrig auf der Suche nach Blattläusen sind und die Libellen in der flirrenden Sommerluft stehen, führt ganz hinten in der allerletzten Ecke ein schmaler Weg zu einer Schonung. Es dauert lange, ehe aus einem winzig kleinen Samenkorn ein kleines Pflänzchen entsteht. Jedes Jahr wird es ein wenig kräftiger und jedes Jahr wird es ein wenig größer. Dann kommen die Forstarbeiter und pflanzen die kleinen Bäumchen, die kaum dreißig Zentimeter groß sind, Reihe um Reihe auf eine freie Fläche im Wald. Die bepflanzte Fläche nennt man Schonung. Jahr um Jahr werden die Bäumchen gehegt und gepflegt, bis sie herangewachsen sind und als Weihnachtsbäume geschlagen werden. Die meisten Bäume aber werden erst nach vielen Jahren gefällt. Da sind sie oft schon fünfzig oder gar hundert Jahre alt. Ja, es gibt sogar Bäume, die tausend Jahre alt werden. Unsere Schonung steht seit acht Jahren. Viele Tiere Rehe, Hasen, Vögel und Wildschweine finden in einer solchen Schonung ein sicheres Versteck….